Vorwärts/Wacker Billstedt – Altona 93

Das erste Mal: Altona 93. Und was für ein denkwürdiges Spiel. Wir kamen direkt aus dem Büro, erreichten den Platz erst eine gute halbe Stunde nach Anpfiff. Da war gerade das 1:0 für Billstedt gefallen. Na, das fing ja gut an. Bis zur Halbzeit passierte nicht viel, und erst in der Pause gabs den ersten Höhepunkt zu bestaunen: der Einzug der Altonaer Punks. Offenbar mit der S-Bahn angereist, kamen die Truppe mit einer dänischen Flagge ins Stadion marschiert.
Auftakt zur zweiten Halbzeit. In der 65. Minute macht Billstedt das 2:0, doch im Gegenzug macht Marcel Abshagen den Anschlußtreffer für den AFC. Nur noch 2:1. Zehn Minuten später sogar der Ausgleich. Na, die Fahrt hatte sich doch gelohnt! Aber es kam noch besser: In der letzten Spielminute pfiff der Schiri ein Handspiel eines Billstedters im Strafraum – Elfmeter für Altona. Riesenaufruhr, die Billstedter Spieler bedrängen den Schiri. Doch der läßt sich nicht beirren, bleibt bei seiner Entscheidung. Frank Rector verwandelt den Strafstoß eiskalt, 3:2. Während die Billstedter noch maulen und meckern, verdaddeln sie kurz nach dem Wiederanstoß den Ball. Frank Gregori läuft ganz allein auf den Billstedter Torhüter zu und macht auch noh das 4:2 für den AFC. Was für ein Auswärtssieg.
Nach dem Abpfiff scharten sich wütende Billstedter zur dritten Halbzeit um Schiedsrichter Ralf Vollmers, nur ein paar Meter von unserem Tribünenplatz entfernt. Sie kippten ihm Bier über den Kopf. Und plötzlich flog aus der Menge eine volle Bierdose, traf den Schiri. Der flüchtete daraufhin in die Kabine.

Nachspiel:
Das Hamburger Abendblatt berichtete am Tag darauf (21. August 2002): „Gerrit Gerber (Altona) und Elard Ostermann sahen nach einem Gerangel, das David Laczkowski (Altona) und Daniel Ditkun ausgetragen hatten, fälschlicherweise Rot (44.). Ihnen folgte – berechtigt – Michael Colberg (VW, 61.) mit Gelb-rot nach wiederholtem Foulspiel. Schiedsrichter Vollmers wurde nach dem Spiel von „Fans“ mit Bier überschüttet. Tore: 1:0 Ceylan (34.), 2:0 Hiob (66.), 2:1 Abshagen (66.), 2:2 Buchtmann (72.), 2:3 Rector (90., HE), 2:4 Gregori (90.). – Z.: 420.“
Tags darauf (22. August 2002) griff auch die Bild-Zeitung den Dosenwurf auf, titelte „Der Dosen-Skandal bei VW: Jetzt droht Geldbuße oder Platzsperre!“ über seinem Bericht: „Der Skandal in der Oberliga! Nach dem 2:4 von Vorwärts/Wacker gegen Altona 93 wurden Schiri Ralph Vollmers und seine „Assis“ Anke Fanter und Christian Ruesch (alle Börnsen) mit Bier begossen (BILD berichtete). Anschließend flog sogar eine volle Dose an seinen Kopf.
Das Schiri-Gespann hockte nach dem Spiel geschockt in der Kabine. Vollmers: „Wir wurden körperlich angegangen.“ Auf eine Strafanzeige wird er verzichten. „Das bringt doch nichts.“
Auslöser des Skandals: Kurz vor der Pause stellte Vollmers auf Hinweis von „Assi“ Ruesch Gerrit Gerber (AFC) und Elard Ostermann (VW) wegen einer Rangelei mit Rot vom Platz. Eine Verwechslung. Die eigentlichen „Rüpel“ waren David Laszkowski (AFC) und Daniel Pietkun (VW).
Der zweite Aufreger in der Schlussminute. Vollmers gibt Strafstoß für Altona. Anke Fanter: „Ein Handspiel vom 3er.“ (Buchholz von VW – d. Red.). Das sahen einige VW-Fans anders – und drehten nach dem Spiel durch. Der Schiri-Ãœbergriff in Billstedt – jetzt droht Platzsperre oder Geldbuße. Eine harte Strafe für die eh leeren Kassen von Manager Jörg Franke…“

Nachspiel Zwei:
Anfang September (2. September 2002) berichtete die Bild-Zeitung unter der Ãœberschrift „Falsche Spieler sahen ROT und trotzdem gab’s Sperre“ über die Bestrafung der vom Platz gestellten: „Das Skandal-Spiel Vorwärts/Wacker gegen Altona 93 – jetzt gibt’s auch noch ein Skandal-Urteil. Für den Bierdosen-Wurf auf den Schiri nach dem Spiel (BILD berichtete) muss Billstedt 1000 Euro blechen. So weit, so schlecht. Denn mit Elard Ostermann (VW) und Gerrit Gerber (AFC) sahen zwei falsche Spieler die Rote Karte. Jeder hatte gesehen, dass Daniel Pietkun (VW) und David Laszkowski (AFC) die wahren Ãœbel-Täter einer Rangelei waren.
Vorm Sportgericht blieb das Schiri-Gespann Ralph Vollmers, Anke Fanter und Christian Ruesch (alle SV Börnsen) bei seiner Aussage, die richtigen Spieler des Feldes verwiesen zu haben.
BILD zeigt das Foto, das die echten Sünder entlarvt. Das Bild zählte vor Gericht nicht. Auch nicht andere Zeugen-Aussagen. VW-Manager Jörg Franke empört: „Enttäuschend.“
Schlimm: Ostermann und Gerber gelten jetzt als „vorbestraft“, kriegen bei der nächsten Roten Karte eine umso längere Sperre. Schlimmer sind Schiris, die ihre Sehschwächen und Fehler nicht zugeben. Ganz schlimm aber ist ein Sportgericht, das Lügner auch noch in Schutz nimmt.“