VFC Plauen – Altona 93

Ganz tief im Süden Sachsens, wo sich die Regionalliga Nord schon ein wenig anfühlt wie die Bayernliga: Auf dem Weg nach Plauen geht’s durch dunkle Tannenwälder, über sattgrüne Hügel und durch geschwungene Täler bis ins Herz des Vogtlandes. Immer mit der Hoffnung auf einen Sieg gegen den Vogtländischen FC.

Knapp zwei Stunden vor dem Anpfiff rollte man am Stadion vor, parkte auf dem sonst leeren Parkplatz neben der Gästekurve. 1 Euro war fürs Abstellen fällig, dafür gab’s als Parkticket die alte Eintrittskarte eines Pokalspiels der Plauener gegen Zwickau.

Kurz darauf öffnete das Stadiontor auf der Haupttribünen-Seite, der Eingang zum Gästeblock blieb heute geschlossen. Als erste Auswärtsfans passierte man die Ordner. Die bekannten Diskussionen über das Schwarz-Weiß-Rot der Altonaer Fahnen würgte man ab mit dem Hinweis ab, dass dies nun mal die Vereinsfarben des AFC seien. Kein weiterer Widerspruch.

Verwirrung dann beim Aufhängen der Zaunfahnen. Sie sollten möglichst weit hoch am Zaun hängen, hieß es. Kaum war der letzte Knoten gemacht, kam das Kommando zurück: In der unteren Zaunhälfte sollten die Fahnen hängen. Also alles wieder runter und neu aufgeknüpft.

Oberhalb der langgezogenen Gästekurve die große Anzeigetafel. Die AFC-Fans gruselte es, zeigte die doch beharrlich an, für den VFC ginge es heute gegen den „FC Altona“. Schlimmer noch: Auch der Stadionsprecher begrüßte die Zuschauer zum Kick gegen den FC Altona, erklärte, der Verein käme aus der Nähe von Hamburg, um sich dann immerhin zu korrigieren: Altona sei genau genommen sogar ein Stadtteil von Hamburg.

Kaum besser das Stadionblättchen „VFC journal“ zum aktuellen Spiel: Zwar wurde der Gegner hier auch mal als „Altonaer FC 1893“ bezeichnet. Doch die weitere Erklärung zeugte von wenig Recherche: Altona sei ein „unbeschriebenes Blatt aus dem hohen Norden“. Vor der Saison sei „Altona 93 ein eher regional bedeutendes Team, welches natürlich in Hamburg nicht die große Rolle spielte, da mit dem HSV und St.Pauli die Fanlager“ verteilt seien. Eine bemerkenswerte Zusammenfassung der Altonaer Fussballtradition, wenn man bedenkt, dass der AFC schon 1903  im Halbfinale der deutschen Meisterschaft stand – als man in Plauen gerade erst entdeckte, dass der Ball rund ist.

Doch auch die Internetseite des AFC hatte im Vorfeld nicht gerade mit Geschichtskenntnis geglänzt, wie sich nun herausstellte. Dort war das Spiel gegen Plauen als neuerliche „Premiere“ angekündigt worden: „Das erste Mal in unserer Geschichte spielt unser Club im Vogtland“. Die aktuelle Auswärts-Sonderausgabe des „All to nah“ enthüllte jedoch, dass der AFC schon 1928 in Plauen gegen den „Vogtländischen FC.“ spielte. Endergebnis des Freundschaftskicks: 6:3 für den AFC, meldeten damals die Altonaer Nachrichten.

Zu jener Zeit spielte man allerdings noch nicht im Vogtlandstadion, das erst 1934 eingeweiht wurde. Der Rasen liegt hier um einige Meter tiefer als das angrenzende Gelände, ist von einer Tartanbahn umgeben. Überdacht sind nur die Sitzplätze auf der Haupttribünen-Seite. Daran schließen sich auf beiden Seiten die Stehränge an, die heute vor allem auf der Gegengerade locker gefüllt waren.

1059 Zuschauer fanden sich zum Abstiegsduell ein. In einer Ecke des Stadions, dem Gästeblock direkt gegenüber, bezog die Ultra-Truppe des VFC ihren Block.  Deren Banner „Spitzen-Stadt“ zeugte nicht etwa von maßloser Selbstüberschätzung, sondern erinnerte an die historische Bedeutung Plauens als europaweit berühmter Produzent von Spitze.

Während die Schwarz-Gelben noch ihre Fähnchen schwenkten, spielte Altona schon Fussball. Nach einer ersten guten Chance von Richter machte Jürgen Tunijc das 1:0 für den AFC (18.). Und auch im Anschluss war Altona das bessere von zwei schwachen Teams. Doch zum Ende der ersten Hälfte ließ der AFC nach, kassierte zunächst den Ausgleich (41.) und kurz darauf durch einen Fouelfmeter auch das 1:2. Direkt danach ging es in die Pause.

Zeit, sich an der einzigen Verpflegungsbude auf der Haupttribünen-Seite mit lokalen Leckereien einzudecken: Sternquell vom Faß und dazu eine Bratwurst, die hier – wie man gleich belehrt wurde – Roster genannt wird.

Die zweite Halbzeit begann wie die erste, mit großen Chancen für Altona – die allesamt vergeben wurden. Kein gutes Spiel, aber ein spannendes.

Dass man auch aus einem solchen Kick konsequent Kapital schlagen kann, machten die Plauener vor. Schon der Spielball war vom lokalen Fahrzeugteile-Händler präsentiert worden. Die Brauerei Sternquell sponsorte darüber hinaus jede Ecke fürs Heimteam – mit entsprechender Durchsage vor der Ausführung. Bizarre Züge nahm die Dauer-Werbebeschallung an, als zum dritten Mal in Folge eine verletzungsbedingte Auswechslung des VFC von einem großen privaten Klinik-Betreiber präsentiert wurde. Ob die ausgetauschten Spieler auch gleich ins nahe Krankenhaus des Sponsors eingeliefert wurden, war nicht auszumachen …

Für jeden sichtbar zeigte sich dann zum Ende des Spiels das Unvermögen des AFC, aus einer halbwegs überzeugenden Vorstellung wenigstens einen Punkt zu machen. Nicht nur, dass beste Chancen kläglich vergeben wurden. In den letzten Minuten der Partie bekam man auch noch die Gegentreffer Drei und Vier verpasst.

Kurz darauf der Abpfiff. Jubel bei Gelb-Schwarz. Die Altonaer Spieler dagegen schlichen vom Platz, bedankten sich nicht einmal mehr bei den etwa 30 Fans im Gästeblock. Die packten ihre Fahnen einen und zogen kopfschüttelnd von dannen. Die Oberliga Hamburg war in diesem Moment wohl sicher.

So verließ man nach einer 1:4-Packung das Vogtland, fuhr wieder heimwärts über die grünen Hügel, durch Täler und Tannenwälder. Nur Hoffnung war da keine mehr.

[mygal=afcplauena09]